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AVIVA-BERLIN.de im Mai 2024 - Beitrag vom 29.02.2004


Changing New York 1935-1939 fotografiert von Berenice Abbott
Sabine Grunwald

Das ehrgeizige Projekt einer begabten und eigenwilligen Fotografin. Das Museum Ephraim-Palais zeigt bis zum 20. April 2004 eine Ausstellung aus dem Museum of the City of New York




Die US-Amerikanerin Berenice Abbott (1898-1991) widmete ab 1929 zehn Jahre ihres Lebens einem der ehrgeizigsten Projekte: der Fotografie.
Ihre Vision war das fotografische Portrait der sich wandelnden Metropole New York. Bis 1939 machte sie Hunderte von Aufnahmen der Stadt am Hudson River. 305 davon wurden in ihrem Projekt "Changing New York" gezeigt.
109 Originalabzüge aus Berenice Abbotts grandiosem Werk werden von dem Museum of the City of New York (MCNY) in Zusammenarbeit mit der Stiftung Stadtmuseum Berlin im Ephraim Palais präsentiert.
Die Arbeiten der Künstlerin sind auf zwei Etagen und 12 Räumen verteilt. Sie dokumentieren die Urbanität und den Bauboom einer Stadt, die vor Energie, Dynamik und Reichtum strotzte, aber andererseits auch von Armut, Spekulantentum und Depression geprägt war. Die Ausstellung ist für Nicht-Stadtkundige nach Bezirken aufgeteilt und wird durch Karten und historische Texte ergänzt.
Die Fotografin war stark von dem Franzosen Eugéne Atget beeinflusst, der das Paris der Jahrhundertwende festgehalten hat. Sie machte seine Bekanntschaft, als sie in Man Rays Portraitstudio als Assistentin arbeitete. Ein Jahr später eröffnete sie ihr eigenes Atelier und schaffte sich mit der sachlichen Klarheit ihrer Portraits als Vertreterin der Moderne einen Namen. Da sie die Modernität und der Realismus von Atgets Stadtbildern beeindruckte, erwarb sie 1927 einen Teil des Nachlasses und widmete sich der Bekanntmachung seines Oeuvres. Berenice Abbot interessierte sich aber nicht nur für die Aura des Vergänglichen, sondern speziell für die moderne Technik mit ihren Stahlträgern und Brückenkonstruktionen.
Zentrales Thema ihrer Arbeit war der Wandel, sie kontrastierte Altes und Neues und stellte monumentale Wolkenkratzer in Relation zu viktorianischen Bauten des 19. Jahrhunderts.
In ihren Bildern prallen Verfall und Armut auf Fortschritt und Wachstum. Wir werden ZeugInnen des Baubooms in Downtown, wo Berenice Abbot die Skyline von den Piers aus und waghalsig aus den Fenstern der Wolkenkratzer fotografierte. Extreme Untersichten wechseln sich mit atemberaubenden Vogelperspektiven ab. Doch vermeidet sie den "touristischen Blick" auf die Sehenswürdigkeiten. So sehr sie die Wolkenkratzer mit ihren abstrakten Kompositionen urbaner Strukturen auch fesselten, hält sie ebenso die ärmeren Stadtviertel bildlich fest. Das baufällige Hafengebiet am East River mit seinen alten Reihenhäusern und Mietskasernen fiel bereits 1938 dem Abriss zum Opfer. Die Lower East Side mit ihrem ethnischen Mix irischer, deutscher, italienischer und jüdischer EinwandererInnen bot ihr ebenfalls interessante Motive, die sie aber keinesfalls voyeuristisch ausschlachtete. Ladenansichten, kleine Theater, Antiquitätenläden, Bars und Restaurants zeigen ihre Vorliebe für Altes und das Künstlerleben, alles vereint in Greenwich Village. Portraits "fliegender Händler "zufällig" ins Bild laufende Personen vermitteln menschliche Dramen und fungieren als Metapher für die Stimmung der wirtschaftlichen Depression dieser Zeit. Wie Manhattan mit seinen Art Déco-Wolkenkratzern, hastenden Menschenmassen und Staus die konventionelle Vorstellung vom modernen Leben verkörperte. Mit ihrem kritischen Blick gelang es ihr jedoch, das Klischee der Moderne zu vermeiden.

1939 erscheint das Buch "Changing New York" als Stadtführer für die BesucherInnen der New Yorker Weltausstellung. Es enthält 97 Fotografien von Berenice Abbott mit Texten der renommierten Kunstkritikerin Elizabeth McCausland. Dieses Werk der modernen Fotografie, zählt bis heute mit seiner Geschlossenheit und Komplexität zu den Meisterwerken der Stadtfotografie.

3 x täglich Filmvorführungen in der Ausstellung:
"Berenice Abbott: A view of the 20th Centruy"
von Kay Weaver und Martha Wheelock (Ishtar Films)
57 Min. Original-Fassung

Berenice Abbot wurde am 17. Juli 1898 in Springfield, Ohio geboren. Beginnt 1917 ein Studium um Journalistin zu werden und zieht ein Jahr später nach New York um. Sie lebt als Bohemien in Greenwich Village und interessiert sich für die Bildhauerei. 1921 geht sie nach Paris um zu studieren. 1923 ein einjähriger Berlin-Aufenthalt. Rückkehr nach Paris, wo sie als Laborantin im Portrait-Studio von Man Ray arbeitet. Sie beginnt 1925 mit Portraitaufnahmen und richtet sich ein eigenes Studio in der Rue du Bac 44 ein. 1926 lernt Berenice Eugène Atgets kennen und hat ihre erste Ausstellung bei Sarcre du Printemps. Kauft nach Atgets Tod dessen Werk, um es der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Stellt im ersten Salon des Indépendants de photographie zuisammen mit Man Ray, André Kertész, Paul Outerbridge und Philippe Nadar aus. 1929 Rückkehr nach New York, eröffnet ein eigenes Atelier für Portraitfotografie und plant in ihrer Freizeit die Stadt zu fotografieren. Nach zahlreichen Lehrtätigkeiten und Ausstellungen wird sie 1959 von den Professional Photographers of America als eine der Top Ten Women Photgraphers der USA gewählt. Erhält Ehrendoktorwürden und Auszeichnungen. Am 09. Dezember 1991 stirbt die Künstlerin an Herzversagen.

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Ausstellung bis 20. April 2004
Museum Ephraim-Palais
Poststraße 16
10178 Berlin
Öffnungszeiten: tägl. außer montags 10-18 Uhr
Eintritt: 3 Euro, erm. 1,50 Euro, Mittwoch frei

Weitere Informationen erhalten Sie unter:
www.stadtmuseum.de


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Beitrag vom 29.02.2004

Sabine Grunwald